Aufruf zur Demo am 10. November 2012 in Freiburg
Die Mieten müssen runter! Eine Stadt für Alle braucht bezahlbaren Wohnraum für alle. Ein erster wichtiger Schritt – die halbe Miete.
Bezahlbarer Wohnraum ist die halbe Miete, weil die Mietbelastung unerträglich hoch ist.
In Freiburg wird im Durchschnitt 44% des Einkommens für die Miete ausgegeben. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 25%. Menschen zahlen nicht selten weit mehr als die Hälfte ihres Einkommen für das Menschenrecht auf Wohnen.
Das Problem ist in Freiburg u.a. deswegen besonders groß, weil die Stadt auch ein Niedriglohnparadies ist. Die niedrigen Löhne treffen vor allem Frauen und Migrant_innen. Daher: Mieten runter – Löhne hoch!
Das Halbieren der Mieten wäre eine sozialpolitisch notwendige Maßnahme, um die Mietbelastung zu senken. Aber: Das ist nur die halbe Miete!
…die halbe Miete, weil Wohnung keine Ware sein darf
Wohnen ist ein unabdingbares Grundbedürfnis. Man kann nicht Nicht wohnen. Die Stadt und ihre derzeit laufende Umstrukturierung darf nicht von wirtschaftlichen Interessen und Vermögen abhängen. Auch wenn die Green City Freiburg sich gerne einen grünen Deckmantel verpasst, heißt das noch lange nicht, dass ein „ökologischer“ Stadtteil auch ein sozialer ist. Das Erlöschen der (wenigen) Sozialbindungen für Wohnungen in der Vauban ist ein Beispiel dafür. Grüner Kapitalismus bleibt Kapitalismus. Vielmehr muss sich Stadtentwicklung an den Bedürfnissen aller Bewohner_innen orientieren. Bedürfnisse nicht durch kaufen und verkaufen zu stillen, erfordert ein grundsätzliches Umdenken. Es ist nicht nur die Frage, ob alle ihre Wohnungen bezahlen können, sondern, ob sie sie überhaupt bezahlen müssen. Leerstand ist ein Beispiel für die Absurdität der „Ware“ Wohnung, deren Wert nur steigt, wenn das Angebot künstlich knapp gehalten wird. Häuser denen, die sie brauchen…
…die halbe Miete, weil Freiburg eine geteilte Stadt ist.
Die Bevölkerung im Westen der Stadt ist im Durchschnitt erheblich ärmer als die Bevölkerung in den östlichen Stadtteilen. Diese Ungleichheit spiegelt sich auch in der Infrastruktur wider: Der Osten Freiburgs ist privilegiert. Hier befinden sich Gymnasien, die Universität, Theater und Museen. Dem Westen bleibt dagegen die belastende Infrastruktur wie Gewerbegebiete und Müllhalde. Der Osten erhält das Trinkwasser aus dem Schwarzwald, der Westen hingegen muss mit Uferfiltrat vom Rhein vorlieb nehmen. Es reicht aber nicht, Arme gleichmäßiger auf die Stadt zu verteilen. Eine Stadt für Alle erfordert es, die gesellschaftlichen Ursachen von Armut zu bekämpfen.
…die halbe Miete, weil Menschen in der Stadt ausgegrenzt werden
Flüchtlinge werden immer noch zwangsweise in (Container-)Lagern untergebracht, mit einem Flächenanspruch von 4 qm/Person. Und auch wenn sie endlich die Erlaubnis erhalten, aus dem Lager auszuziehen, legt die Stadt Freiburg ihnen Steine in den Weg. Gegen ein Gerichtsurteil, wonach Flüchtlinge einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben und somit Zugang zum sozialen Wohnungsmarkt hätten, ging die Stadt in Berufung. Sie sind vom Recht auf Stadt auch durch weitere Diskriminierungen ausgeschlossen. Z.B. dürfen sie nicht einkaufen, wo sie wollen, sondern sind per Chipkartensystem an einige wenige Supermärkte gebunden.
Wohnungslose werden in Sondereinrichtungen untergebracht, anstatt dezentral Wohnungen mit Mietvertrag zu bekommen. Mit Zimmerzuteilungen für mehrere Einzelpersonen pro Raum ist Privatsphäre und Ruhe ausgeschlossen. Das Leben auf der Straße wird ihnen auch erschwert. Die Umgestaltung des Platzes der Alten Synagoge ist ein Beispiel dafür, wie Aufenthaltsorte wohnungsloser Menschen insbesondere im Innenstadtbereich gezielt „unbewohnbar“ gemacht werden.
…die halbe Miete, weil die ganze Miete nur Profitinteressen dient
In Zeiten der Wirtschaftskrise wird viel Geld in sogenanntes „Betongold“ (Häuser) investiert. Um Gewinn zu erwirtschaften, muss der Wert der Häuser gesteigert werden, was den Prozess der Verdrängung verstärkt. Die vielen Studierenden in Freiburg sind dabei ein Faktor: Durch häufigen Wohnungswechsel und als Träger_innen der kulturellen Aufwertung von Wohngegenden sind die Studierenden einerseits für die Verdrängung mitverantwortlich, andererseits sind die weniger Zahlungskräftigen unter ihnen auch Opfer von Profitinteressen. Für Studierende mit reichen Eltern wird gerade in der Tullastraße ein Studiwohnheim mit Warmmieten von 20€ pro Quadratmeter gebaut!
Als größte Mietwohnungseigentümerin maximiert die Freiburger Stadtbau (FSB), nicht anders als private Immobilienmakler_innen und Grundstücksbesitzer_innen, ihre Profite. Sozialauftrag? – Wurde wohl verdrängt. Im Durchschnitt stiegen die Stadtbaumieten in den letzten Jahren deutlich stärker als der Mietspiegeldurchschnitt. Mit ihrem großen Wohnungsbestand treibt die Stadtbau den Mietspiegel, an den sich die Preise für Vermietungen anpassen und der oft als Grund für Mieterhöhungen angegeben wird, massiv in die Höhe.
Es ist nicht einzusehen, dass wir die Wohnungen, die im Schnitt nach 30 Jahren abbezahlt sind, mit unseren Mieten nochmals bezahlen. Mit Mieteinnahmen der FSB, deren Kernaufgabe eigentlich die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums ist, werden Hotels, Kunstdepots und andere Projekte bezahlt. Statt mit den FSB-Wohnungen noch Gewinn zu erwirtschaften, sollte in den bestehenden Wohnraum investiert werden, um die Mieten niedrig zu halten, die Häuser instandzusetzen und wirklich warmmietenneutral zu sanieren.
…die halbe Miete, weil eine Stadt für ALLE anders aussieht.
Denn wir wollen nicht nur untergebracht werden, sondern von Grund auf mitbestimmen. Es müssen auch die Lebensentwürfe in der Stadt einen Platz haben, die weder vom gesellschaftlichen Mainstream noch von der Stadtplanung und -verwaltung vorgesehen wurden – unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit. Wer z.B. in Wägen leben will, soll die Möglichkeit dazu haben.
Für echte Teilhabe am städtischen Leben braucht es öffentliche Räume, in denen Menschen aus allen Teilen der Stadt sich treffen können. Öffentliche Plätze erlauben es zudem, sich frei und ohne Konsumzwang im Zentrum aufzuhalten. Statt dessen müssen wir eine zunehmende Kommerzialisierung und Kontrolle des öffentlichen Raums feststellen. Überall verfolgen uns Überwachungskameras; selbst das Grillen auf der Sternwaldwiese wird reglementiert, weil sich sonst die BewohnerInnen des neuen chicen Viertels gestört fühlen.
Es geht um mehr als um die eigenen vier Wände. Es geht um die Stadt als Ganzes. Alle müssen gleichberechtigt mitbestimmen können, wenn es darum geht, wie ihre Stadt aussehen soll – das heißt für uns Recht auf Stadt. Um der ständigen Ausgrenzung von der Teilhabe am städtischen Leben entgegenzutreten, müssen wir uns organisieren. Hierzu braucht es Mieter_innenzusammenschlüsse, Nachbarschaftstreffen, soziale Zentren, basisdemokratische Stadtteilversammlungen. So wollen wir wirklich mitbestimmen, wenn es darum geht, was mit dem Viertel rund um die wohl bald leerstehende Polizeiakademie geschehen soll, mit den Gutleutmatten, der Gartenstadt, der ECA-Siedlung, dem Götz&Moritz-Gelände, und bei der Frage, ob aus dem Platz der alten Synagoge wirklich eine Betonwüste werden soll, um Freiburgs Großstadtphantasien zu befriedigen.
Wir wollen eine Stadt für Alle, in der Wohnraum keine Ware und nicht durch Profitinteressen geformt ist, sondern eine Stadt, in der Alle nach ihren Bedürfnissen wohnen können. Eine Stadt, in der soziale Gerechtigkeit die Basis dafür bietet, dass alle die Möglichkeit haben, ihre Stadt gemeinsam zu gestalten.
Bezahlbarer Wohnraum ist die halbe Miete – zu Ausgrenzung, Bevormundung und Verdrängung werden wir nicht schweigen!
Demo: Bezahlbarer Wohnraum ist die halbe Miete
10.11.12 13 Uhr Stühlinger Kirchplatz
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