Wir sind heute hier, weil wir für eine solidarische Stadt für alle eintreten. Doch was heißt dass, Solidarische Stadt? Eine solidarische Stadt, die diesen Namen auch verdient, darf niemanden aufgrund seines Geschlechts, seiner tatsächlichen oder vermeintlichen Herkunft, seiner Hautfarbe, seiner geringen ökonomischen Kapazitäten oder sozialen Lage ausschließen. Eine Stadt ist nur dann eine solidarische, wenn die Leute, die sie verlassen, es aus freiwilligen Stücken tun, und nicht weil die bestehenden Herrschaftsverhältnisse sie dazu zwingen.
Seit einiger Zeit ist es in den Rathäusern einiger europäischer Städte en vouge, sich selbst das Etikett “solidarische Stadt” zu verleihen. Unter ihnen sind Städte wie zum Beispiel Berlin, Barcelona, Brüssel und Athen. Doch diese Selbstbezeichnung durch einige Stadtregierungen scheint nicht mehr als eine imagefördernde Symbolpolitik zu sein. Eine nennenswerte solidarische Praxis hat sich dadurch zumindest von institutioneller Seite nicht entwickelt. Im Gegenteil. Die Stadt Berlin möchte Abschiebungen sogar effektiver gestalten, anstatt sie zu verhindern, und fällt in letzter Zeit vor allem mit polizeilichen Zwangsmaßnahmen gegen Obdachlose auf. In Barcelona erreichen Zwangsräumungen Jahr für Jahr neue Höchststände, und es ist die Stadtpolizei, die immer rigoroser gegen diejenigen migrantischen Straßenhändler vorgehen, die es vorziehen billigen Ramsch an Touris zu verkaufen, statt kriminell zu werden. Athen verstärkt von Jahr zu Jahr die Repression gegen jene Stadtbewohner*innen, die selbstorganisiert für eine Stadt für alle eintreten. Diese Aufzählungen liese sich noch lange fortführen. Sie macht vor allem eines deutlich: Die kommunale Politik jener Städte ist genau genommen überhaupt nicht solidarisch.
Wenn man die Stadtregierungen der selbsternannten “Solidarischen Städte” mit Kritik an ihrer unsolidarischen Politik konfrontiert, antworten diese gerne damit, dass ihnen die gesetzgeberischen Zuständigkeiten in vielen Bereichen nicht gegeben seien. Dieses “Argument” müssen wir ganz klar als faule Ausrede zurückweisen. Nicht nur, weil dadurch politische Praxis fälschlicherweise auf reine Gesetzgebung reduziert wird, sondern auch weil die durchaus vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten meistens gar nicht erst ausgeschöpft werden.
Nehmen wir einmal als lokales Beispiel das Thema Wohnraum in Freiburg. Der Freiburger Wohnungmarkt sorgt für viele für gesellschaftlichen Ausschluss aus der Stadt, sei es weil sie durch steigende Mieten oder Kündigungen verdrängt werden, oder weil viele Menschen garnicht erst in der Lage sind, die absurden Mieten zu leisten. Der Soziale Wohnungsbau ist ein Witz. Während immer mehr aus der Sozialbindung herausfallen, werden seit den 1980er Jahren nur noch sehr wenig neue gebaut. Es mag zwar sein, dass einige private Investoren kein großes Interesse am Sozialwohnungsbau haben. Doch die kommunale Stadtbau steht ihnen in nichts nach, trotz des Gemeinderatsbeschlusses, der eigentlich eine Quote von 50% vorsieht, die aber meistens nicht eingehalten wird. Die Bewohner*innen des Metzgergrüns im Stühlinger, dass neugebaut werden soll, versucht die Stadtbau ruhigzustellen, in dem sie ihnen verspricht, dass niemand verdrängt werde. Ein Versprechen, an dessen Verläßlichkeit Zweifel durchaus angebracht sind. In Weingarten wurde ein ganzes Hochhaus von der FSB privatisiert, keiner der alten Mieter*innen konnten nach der Sanierung in ihre alte Wohnung zurückkehren. Im EKZ-Neubau in Landwasser setzten Grüne, CDU und Freiburg Lebenswert sogar durch, dass der Investor (Unmüssig) gar keine Sozialwohnungen bauen musste.
Dabei gibt es bereits jetzt durchaus Möglichkeiten urbane Wohnraumpolitik sozial gerechter zu gestalten. Dazu zählen zum Beispiel die Einstellung der Privatisierung bezahlbaren Wohnraums, die konsequente Anwendung von Milieuschutzsatzung und Zweckentfremdungsverbot und der Bau von kommunalen Sozialwohnungen, statt luxuriöser Eigentumswohnungen. Dazu gehört auch, dass man sich klar gegen Gentrifizierung ausspricht, und sie nicht als angeblich positive “soziale Durchmischung” zu legitimieren versucht. Sicher, dass Grundproblem warum es Benachteiligungen, Ausgrenzungen und Verdrängungen im städtischen Wohnraum gibt, lässt sich dadurch nicht überwinden. Doch könnte es die schlimmsten Auswüchse in der Wohnungspolitik abmildern, und die Stadt könnte so auch zeigen, dass sie es mit einer sozial gerechten Wohnungspolitik ernst meint. Doch selbst dieses kleine bisschen Sozialdemokratismus wird in der Regel höchstens dann angewendet, wenn es einen großen Druck von der Straßen, durch die sozialen Bewegungen gibt.
Wir sehen also, wenn wir eine solidarische Stadt wollen, dann dürfen wir uns nicht auf die Regierungen dieser Städte verlassen, oder darauf, dass die sozialdemokratischen Politiker*innen nach der nächsten Wahl ihre schönen Versprechungen auch wirklich mal umsetzen. Eine solidarische Stadt müssen wir vor allem selbst von unten aufbauen. Das mag sich nicht so einfach anhören, doch umso mehr Leute sich dafür einsetzen, umso einfacher wird es.
Was sicher einigen Leuten fehlt, ist der Mut. Der Mut, bei der nächsten rassistischen Polizeikontrolle nicht nur verschämt auf den Boden zu schauen, sondern einzugreifen. Der Mut, wenn unsere Nachbar*innen zwangsgeräumt werden uns nicht in unsere Wohnungen zurückzuziehen, sondern sich solidarisch zu zeigen und dem Gerichtsvollzieher den Weg zu versperren.
Diese Mutlosigkeit resultiert häufig aus der Vereinzelung, nach dem Motto, was kann ich allein schon ausrichten. Der erste Schritt, diese Mutlosigkeit zu überwinden liegt also in der Organisierung. Es gibt bereits jetzt viele Initiativen, die sich auf die ein oder andere Weise für eine solidarische Stadt einsetzen. Von Solidarity City bis Wohnraum Gestalten, von der FAU bis Aktion Bleiberecht, von Recht auf Stadt bis zum offenen anarchistischen Treffen. Oder startet eure eigene Initiative, zusammen mit euren Freunden oder euren Nachbar*innen, mit euren Kolleg*innen bei der Arbeit oder an der Universität.
Nur wichtig ist, endlich anzufangen sich zu wehren, gegen diese Ungerechtigkeiten, die man uns in der Stadt aufzuzwingen versucht. Lasst uns gemeinsam allgemeinen, wie auch institutionellen Rassismus entgegentreten! Lasst uns gemeinsam gegen Sexismus und sexuelle Gewalt hier in unserer Stadt entgegentreten und den Betroffenen solidarisch zur Seite stehen! Lasst uns gemeinsam das Wohnraumproblem selbst in die Hand nehmen, indem wir Zwangsräumungen verhindern, leerstehende Häuser besetzen, das Mietshäusersyndikat ausbauen und Immobilienkonzerne wie Vonovia entschädigungslos enteignen! Lasst uns die sozialen Verhältnisse aufmischen und eine solidarische Stadt aufbauen, die diesen Namen auch verdient.