Zusammen gegen rechte Allianzen, Homo&Transphobie [1] , Antifeminismus, Patriarchat und Heteronormativität [2] !
In Baden-Württemberg gährt es: Bereits zum vierten Mal in Folge versammelten sich in Stuttgart unter dem Label “Demo für Alle – Ehe und Familie vor; Stoppt Gender Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder” mehrere hundert Reaktionäre und Homophobe. Die rechte Allianz aus Rechtspopulisten der Alternative für Deutschland (AfD), christlichen FundamentalistInnen, antimuslimischen RassistInnen um den Internetblog PI-News, neurechten AktivistInnen der “Identitären Bewegung”, Neonazis aus dem Umfeld der NPD, sowie Einzelpersonen aus CDU und FDP schaffte es am 1. Februar 2014 rund 500, am 1. März 800, am 5. April 1000 und am 28. Juni 700 Menschen auf die Straße zu bringen. Konnte die erste Demo im Februar noch von zahlreichen Antifaschist*innen [3] erfolgreich blockiert werden, wurden die folgenden Demos im März nach politischem Druck von Rechts von der Polizei durchgeprügelt. Nur eine für den 3. Mai angekündigte Demonstration konnte durch eine frühe, breitangelegten Mobilisation verhindert werden.
Homophober Protest gegen den Bildungsplan
Offizieller Anlass der homophoben Demonstrationen ist der Entwurf eines neuen Bildungsplanes der grün-roten Landesregierung, in dem bis nach der zweiten Demonstration im März folgender Abschnitt zu lesen war:
„Schülerinnen und Schüler kennen die verschiedenen Formen des Zusammenlebens von/mit LSBTTI [4] -Menschen und reflektieren die Begegnungen in einer sich wandelnden, globalisierten Welt.
– klassische Familien, Regenbogenfamilien, Single, Paarbeziehung, Patchworkfamilien, Ein-Eltern-Familien, Großfamilien, Wahlfamilien ohne verwandtschaftliche Bande;
-schwule, lesbische, transgender und soweit bekannt intersexueller Kultur (Musik, Bildende Kunst, Literatur, Filmschaffen, Theater und neue Medien) und Begegnungsstätten (soziale Netzwerke, Vereine, politische Gruppen, Parteien).“
Der aktuelle Bildungsplan für die Schulen in Baden-Württemberg, welcher für jedes Fach und jeden Fächerverbund Bildungsstandards vorschreibt, ist schon zehn Jahre alt. Unter anderem deshalb soll er überarbeitet werden. Momentan liegt aber noch kein neuer Bildungsplan vor. Trotzdem gibt es Proteste gegen den Entwurf für einen neuen Bildungsplan.
Dieser Entwurf, ein Arbeitspapier der grün-roten Landesregierung, wurde im November 2013 unter dem Titel „Bildungsplanreform 2015 – Verankerung der Leitprinzipien“ vorgestellt. Die Leitprinzipien sind: Berufliche Orientierung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Medienbildung, Prävention und Gesundheitsförderung und Verbraucherbildung. Diese Leitprinzipien sollen nicht einem einzigen Fach zugeordnet, sondern übergreifend in verschiedenen Fächern behandelt werden.
In die Leitprinzipien ist auch die Maßgabe eingearbeitet, den “Gesichtspunkt” der Akzeptanz sexueller Vielfalt zu “berücksichtigen”. Kinder sollen so über gesellschaftliche Wirklichkeiten informiertwerden. Denn Tatsache ist: Es gibt unterschiedliche Lebensentwürfe und sexuelle Orientierungen in unserer Gesellschaft, ob einem das gefällt oder nicht. Bis zu 10% der Menschen in unserer Gesellschaft, und damit ein erheblicher Anteil, bevorzugt homosexuelle Lebensentwürfe. [5]
Dass es unterschiedliche Lebensentwürfe gibt, ist gut so. Und alle Menschen haben das Recht auf freie Entfaltung und auf ein Leben frei von Diskriminierung. Kinder müssen ein realistisches Bild gewinnen von der Welt, in der sie aufwachsen. Alle Menschen, die in unserer Gesellschaft leben, müssen im Unterricht an den Schulen sichtbar gemacht werden. Auch deshalb, damit Kinder merken, dass sie sich frei entfalten können und dürfen:
Der soziale Anpassungsdruck ist für schwule und lesbische Jugendliche oft so groß, dass die Suizidrate 4-7 mal höher liegt als bei gleichaltrigen heterosexuellen Jugendlichen. [6]
Dem Entwurf zum Bildungsplan wird nun „Frühsexualisierung“ und „Pornografie“ unterstellt. Doch schulische Aufklärung über gesellschaftliche und sexuelle Vielfalt heißt weder, dass Kinder „sexualisiert werden“, noch dass Pornofilme im Schulunterricht gezeigt werden sollen. Es heißt einfach, dass Kinder sachlich und altersgemäß darüber informiert werden, wie die Welt beschaffen ist, in der sie leben. Nun von Frühsexualisierung zu sprechen, ist genauso absurd, als würde man behaupten, im Mathematikunterricht würden Kinder in Zahlen verwandelt. Und der Entwurf fordert – Stichwort Pornografie – ganz klar nicht die Darstellung von Sexualakten in den Schulen. Vielmehr stellt sich hier die Frage, was für Phantasien die GegnerInnen des Entwurfs im Kopf haben, wenn sie bei unterschiedlichen Familien- und Beziehungsmodellen sofort daran denken, was hier angeblich im Bett passiert. Die Forderungen der GegnerInnen des Entwurfes zum neuen Bildungsplan sprechen darüber hinaus allen, die nicht heterosexuell oder in einer klassischen Kleinfamilie leben, ihre bürgerlichen Rechte ab, zum Beispiel auch allein erziehenden Müttern oder Vätern.
Rechte Allianzen
Den Beginn der Proteste war eine vom Realschullehrer und Prädikant der evangelischen Landeskirche, Gabriel Stängle, gestartete Online-Petition gegen den Entwurf. Eine erste Fassung der Petition wurde von dem Betreiber der Webseite wegen Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen nicht zugelassen und daraufhin überarbeitet. Die Petition wurde recht schnell von der christlich-fundamentalistischen Evangelischen Allianz in Deutschland, dem baden-württembergischen Landesverband der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) und dem rechtspopulistischen Blog Politically Incorrect (PI News) unterstützt und beworben. Laut dem Spiegel soll Initiator Stängle die meisten Stimmen für die Petition über PI News und eine Unterstützerseite eines Mitgliedes der christlich-fundamentalistischen Prisma-Gemeinschaft gesammelt haben. Insgesamt wurden über 190.000 Unterschriften. Die NPD und die neurechte Konservative Aktion Stuttgart riefen ihre Mitglieder zur Teilnahme auf und unterstützten jede der bisherigen Demonstrationen. Auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen (Kirche, Medien, Politik) und mit unterschiedlichen Mitteln (Petition, Demonstration, Übertreibung, Verbreitung von Vorurteilen, Hetze, Medienarbeit, Internet) wurde Stimmung gemacht.
Orientiert wird sich am französischen „Demo für alle – manif pour tous“ – Konzept und an deren Symbolik. Dort gibt es große rechte Bündnisdemonstrationen mit fünfstelliger Teilnehmerzahl mit homophoben und rassistischen Inhalten, entstanden sind sie als Protest gegen die geplante Einführung der Homo-Ehe. Letztendlich führte diese Dynamik zu großen Demonstrationen, Angriffen gegen Homosexuelle, migrantische und jüdische Menschen. Als tatsächliche Profiteure gingen über die Zeit die rechten Organisationen aus der Sache hervor. An diesem Vorbild orientiert sich auch der Stuttgarter Organisationskreis, was spätestens bei der dritten Demonstration u.a. durch die verwendeten zentral hergestellten Schilder mit der Aufschrift „Demo für alle“ überdeutlich wurde.
Die rechten Demonstrationen in Stuttgart zeigten auch schon erste Erfolge: So ruderte der baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann bezüglich des Bildungsplans zurück. Statt gleichwertiger Behandlung ist dort jetzt nur noch von “Toleranz” und “Diskriminierungsfreien Umgang” die Rede.7
Die Demonstraten wurden in der bürgerlichen Presse teilweise unter dem Label „Bildungsplangegner“ als politischer Akteur anerkannt. Ebenfalls zu beobachten war die inhaltliche Radikalisierung bei den Homophoben, die Parolen auf den Schildern bekamen einen immer eindeutig rechten und teilweise völkischen Charakter.
Neben anderen Städten werben die homophoben Rechten auch in Freiburg für die Stuttgarter “Demo für Alle”. So waren sie am 28. Mai mit einem Infostand am Martinstor präsent und verteilten über Stunden nahezu ungestört ihr Propagandameterial.
Love Antifa – Hate Homophobia!
Für uns als aktive Antifaschist*innen ist klar, dass wir und solchen homophoben Protesten entgegenstellen müssen. Jedoch zeigt uns die Situation in Stuttgart, dass eine Mobilisierung allein aus dem Spektrum der radikalen Linken nicht ausreicht um die Rechte zu stoppen. Die LGTBI-Szene muss sich ihrer politischen Bedeutung – auch als Akteur auf der Straße – wieder bewusst werden und sollte sich nicht wie der CSD in Stuttgart eilfertig von Aktionen des Zivilen Ungehorsams oder militanten Aktionen distanzieren.
Perspektivisch müssen wir weiter für eine solidarische Gesellschaft ohne Ausbeutung, Herrschaft und Diskrminierung streiten. Schlussendlich also für eine Welt in der jede*r ohne Angst verschieden sein kann.
Wir rufen deshalb zur Beteiligung am queeren Antifa-Block auf der CSD Parade in Freiburg auf!
Setzen wir ein deutliches Zeichen gegen rechte Allianzen, Homo&Transphobie, Antifeminismus, Patriarchat und Heteronormativität!
Samstag 12.07 // 15 Uhr // Platz der alten Synagoge
Unterstützer:
Anarchistische Gruppe Freiburg
Antifa Ortenau
Anarchistische Initative Ortenau
Antifaschistische Initative Freiburg
1: Homophobie: Hass und Abneigung gegen Schwule und Lesben. Transphobie: Hass und Abneigung gegen Transsexuelle und Transgender-Menschen. Beide Formen von Menschenverachtung trachten danach, den Menschen grundlegende Rechte vorzuenthalten.
2: Mit Heteronormativität bezeichnet man die für natürlich gehaltene, ausschließliche binäre Geschlechtereinteilung (in Mann und Frau), die als gesellschaftliche Norm angesehen wird. Das Gender, also die Geschlechterrolle und -identität ist dabei mit dem anatomischen Geschlecht verbunden.
3: Wir verwenden die geschlechtsneutrale Form „*innen“, um neben dem männlichen und weiblichen Geschlecht auch Transgendern und anderen Rechnung zu tragen.
4: Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle
5: www.psychomeda.de/lexikon/homosexualita…