Aufruf zur Demonstration „gegen die autoritäre Welle“ am 16. Dezember in Freiburg
16. Dezember // 16:00 Uhr // Rathausplatz Freiburg
In Europa sind autoritäre Bewegungen auf dem Vormarsch: Die deutschnationale AfD zieht mit rund 13 Prozent der Wählerstimmen in den Bundestag ein, in Frankreich konnte gerade noch der Sieg der Präsidentschaftskandidatin des extrem rechten Front National abgewehrt werden, in Österreich und der Schweiz feiern die Rechten einen Wahlerfolg nach dem anderen. In Ungarn und Polen ist ein offener Umbau hin zum autoritären Staat im Gange.
Außerhalb Europas sieht es vielerorts nicht besser aus: Ein Rechtspopulist ist Präsident der Vereinigten Staaten; die beiden anderen Supermächte Russland und China sind bereits autoritäre Staaten. Das Fundament all dieser Bewegungen (*1) bilden Versatzstücke (neu)rechter Ideologien: Agitation gegen ein vermeintlich linksliberales Establishment und “die da Oben”, Hetze gegen Flüchtlinge, Frauen und Homosexuelle sowie die Beschwörung einer europäisch-abendländischen Identität in Abgrenzung zum Islam. Das Ziel: Die Errungenschaften fortschrittlicher Bewegungen der vergangenen Jahrzehnte sollen zurückgenommen werden.
Der feindliche Bruder des neurechten Autoritarismus ist der politische Islam. Ob in „antinational“-bandenmäßiger Form wie beim Islamischen Staat und diversen salafistischen Grüppchen oder in klassisch nationalstaatlicher Form, wie in Saudi Arabien, dem Iran oder in der Türkei. Auch der Islamismus strebt den autoritären Staat an. Ideologisch angetrieben wird er (dabei nicht unähnlich seinem neurechten „Bruder“) durch den Hass auf Liberalismus, Homosexuelle, emanzipierte Frauen und schließlich auf die Juden und ihren Staat.
Beide Bewegungen produzieren potentiell tödlichen Terror gegen „die Anderen“. Seien es die ungezählten Angriffe mit Brandsätzen, Steinen, Messern, Schusswaffen, Sammellagern, Abschiebungen oder blanken Fäusten gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte oder die islamistischen Selbstmordmordkommandos mit Sprengstoff, Fahrzeugen, Kalaschnikows, Messern und Äxten. Alle ziehen sie eine Blutspur hinter sich her.
Beide autoritären Formierungen bewundern und bekämpfen sich:
Die Islamisten wollen durch Anschläge auf Unschuldige den antimuslimischen Rassismus anstacheln (*2), sowie eine harte staatliche Antwort provozieren, um sich damit den Muslim*innen weltweit als Schutzmacht gegenüber dem angeblich islamfeindlichen Westen präsentieren zu können.
Die Rechten im Westen nehmen die islamistischen Anschläge als Anlass um sich den „weißen“ Europäer*innen als Schutzmacht gegen die Bedrohung durch Islamisten und als Alternative zu den “verweichlichten” Liberalen anzubieten.
Die Parteien der „Mitte“ beeilen sich derweil nicht den Anschluss an diese Dynamik (und damit ihre Machtposition) zu verlieren und treiben die Formierung des autoritären Staates voran: Sicherheitsgesetze werden verschärft, die Repression nimmt zu – dahinter steht das Ziel, den Ausnahmezustand zu normalisieren: Bürgerliche Freiheiten werden nach und nach suspendiert aus sicherheitspolitischen Motiven, vorgeblich, um ebendiese Freiheiten zu erhalten. Zusätzlich werden gerade in Zeiten der Weltwirtschaftskrise soziale Bewegungen so frühzeitig bekämpft.
Die Repression gegen die radikale Linke muss in ebendiesem Zusammenhang betrachtet werden. Nicht primär wegen unserer vermeintlichen Stärke oder Gefährlichkeit werden wir angegriffen, sondern weil der autoritäre Staatsumbau ein Gespenst braucht, gegen das er vorgehen kann. Bundesweite Razzien und massiv aufgeblähte Polizeieinsätze dienen der staatlichen Machtdemonstration und legitimieren den Ausbau des Sicherheitsapparates. Die aktuelle Repression ist auch daher möglich, da der Rückhalt für linksradikalen Aktivismus abseits einer überzeugten Szene nicht groß ist. Um diesem Staat eine reale Gefahr zu werden, müssten wir aufhören Szene zu sein und uns zur wirklichen Bewegung entwickeln.
Nicht vergessen sollten wir ebenso, dass die Repression uns deutsche radikale Linke erst als Zweites getroffen hat. Unsere türkischen und besonders unsere kurdischen Genoss*innen wurden und werden viel härter angegangen als wir. Die freundlichen, allen voran wirtschaftlichen, Beziehungen Deutschlands zu den autoritären Regimes Iran, Saudi-Arabien, Türkei und Russland dürften hinlänglich bekannt sein. Alle diese Länder sind maßgeblich an dem Fortdauern des Abschlachtens in Syrien involviert (*3).
So haben wir eine Situation in der die Symbole der Frauenorganisation, deren Kommandantin die Befreiung Raqqas von den islamistischen Schlächtern anführte, in Deutschland verboten sind, während die Unterdrücker*innen eben jener iranisch-kurdischen Frauen von hochrangigen deutschen Politiker*innen hofiert werden (*4).
Wenn wir „gegen autoritäre Politik & für eine solidarische Zukunft in Freiheit“ auf die Straße gehen, dann muss es auch darum gehen, Solidarität mit den Betroffenen, sowohl der völkischen, wie auch der islamistischen Barbarei zu zeigen. Solidarität mit all den Menschen, die von den Autoritären als Kurde, Alevit, Jeside, Jude, Homosexueller, Roma, Flüchtling und/oder emanzipierte Frau identifiziert und verfolgt werden.
Lassen wir sie nicht allein!
1: Bis auf China, welches noch den „Sozialismus chinesischer Prägung“ bemüht.
2: Diese Strategie wird in der Hauseigenen IS-Zeitschrift Dabiq öffentlich propagiert.
3: Welches nebenbei bemerkt erst die Geflüchteten „produziert“, welche durch den EU-Türkei Deal aus Deutschland ferngehalten werden sollen.
4: So konnte der ex-Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel den Abbau der gegen denn Iran verhängten Sanktionen gar nicht erst abwarten und reiste noch vor deren tatsächlicher Aufhebung mit einer großen Wirtschaftsdelegation in den Iran. Auch die Lokalpolitik steht dem in nichts nach. Für den Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon war selbst der von der Universität Isfahan ausgerufene Holocaustkarikaturen-Wettbewerb oder die massive Verfolgung von Homosexuellen kein Grund, die Städtepartnerschaft mit Isfahan auch nur zu überdenken.