***Update: EU Gipfel 11. Juli in Turin gestrichen***Infos von der Interventionistischen Linken***
Der EU Gipfel traut sich nicht: 11. Juli in Turin gestrichen
Seit wenigen Stunden ist es amtlich: das am 11. Juli 2014 geplante EU-Gipfeltreffen zur Jugendarbeitslosigekeit bzw. über „Jugendbeschäftigung“ in Turin findet dort nicht mehr statt. Wie es scheint, sind die Würfel gestern in Rom gefallen, im Zuge einer Zusammenkunft von Matteo Renzi und Herman Van Rompuy. Dass bei der Entscheidung die Mobilisierungen zu Protesten anlässlich der Convention von 28 EU-Ministerpräsidenten eine wesentliche Rolle gespielt hat, lässt sogar die Nachrichtenagentur Ansa durchblicken. Turin war im März Renzis Standort der Wahl gewesen. Der Sinneswandel spricht Bände.
Die ersten Stellungnahmen treffen über die italienischen Medien seit den Morgenstunden ein. Offiziell begründet die italienische Regierung die Entscheidung damit, dass man lieber das Ende des italienischen EU-Präsidentschaftssemester abwarten wolle, um die Gesamtheit der involvierten EU-Institutionen besser einzubinden und als Präsidentschaftsland Gipfelergebnisse mit „Vermächtnischarakter“ präsentieren zu können. In einer Meldung in englischer Sprache lässt die italienische Nachrichtenagentur Ansa recht klar durchblicken, was die Entscheidung herbeiführte: „[…] organizers are concerned about possible unrest in the industrial city of Turin, where groups have announced plans to disrupt the event.Turin has been the scene of violent clashes between police and demonstrators in the past, on issues ranging from social housing to opposition to a high-speed rail link between the city and Lyon in France, to rallies against austerity-driven tax hikes.“
Zusammen mit den Bögen zum heißen Turiner Pflaster, die zahlreiche Kämpfe andernorts im Zuge der Mobilisieung zum Gipfeltreffen erst recht aufs konstruktivste und schlagkräftigste zu spannen drohten, darf die unweit des Susa Tals der No Tav gelegene Stadt mit ihrer harten Wirklichkeit und die starken sozialen und politischen Kampfebewegungen vor Ort wie in der gesamten Region als die Mischung gelten, die Renzi Angst gemacht hat, was allerdings keinen Grund gibt, der Kraft der Bewegungen einen höheren Grad beizumessen, als es tatsächlich der Fall ist, wenn auch die Konsistenz von manchen Kämpfen sicher nicht zu unterschätzen ist. Der noch nicht lange als italienischer Ministerpräsident amtierende Matteo Renzi muss sowohl als solcher als auch als der new kid on the european block noch viel in sein Image eines Hoffnungsträgers und Retters der Landesschicksale investieren, ganz gleich ob kritischere Geister in Italien längst wahrnehmen, das gerade das ärmste Italien schon jetzt von seinen politischen Plänen dramatisch betroffen ist und die Bewegungen, besonders die für das Recht auf Wohnen, härtestens repressiv angegangen werden.
Wann genau und wo das Gipfeltreffen nun stattfinden soll, ist unklar. November dürfte der Zeitraum der Wahl sein, wenn es vor dem Ende des italienischen EU-Präsidentschaftssemesters stattfinden soll. Als Standort wird Brüssel genannt. Die Bewegungen haben (in Italien) aber schon einen neuen hashtag: #civediamopresto, der den alten #civediamolundici ersetzt. wenn es bis heute hieß: „Wir sehen uns am 11.“ heißt es nun: „Wir sehen uns bald“. Die vielen lokalen sozialen Kämpfe werden weiter gehen und solange den Widerspruch und den Konflikt weiter verdeutlichen und Kraft sammeln. Trauen sich die EU Leute im November doch noch nach Turin, werden jene, die in den Institutionen nicht repräsentiert sind, die über die Existenzbedingungen der Jugend entscheiden wollen unverändert präsent da sein. Sollten sie sich doch lieber in Brüssel verschanzen, werden sie damit nur einen weiteren Beweis der Distanz liefern, die sie mittlerweile zu weiten Teilen der Gesellschaft haben.
Wir sehen uns bald!
11. Juli 2014 Turin: Europaweite Proteste gegen den EU-Kongress zur Förderung der Jugendbeschäftigung
Hochrangige Regierungsvertreter der EU kommen am 11. Juli 2014 in Turin zum dritten Mal zusammen, um über eine sogenannte Jugendgarantie für arbeitslose Jugendliche zu verhandeln. Jugendgarantie bedeutet, dass Jugendliche nach vier Monaten Erwerbslosigkeit durch die Arbeitsbehörden vermittelt werden sollen. Ob in einen Job, eine Ausbildung oder ein Praktikum ist dabei egal.
Diese Jugendgarantie ist die Antwort der herrschenden Politik auf 5,6 Millionen Jugendliche, die in Folge von kapitalistischer Krise und Austeritätspolitik in der EU derzeit erwerbslos sind. Dies ist im Schnitt jede_r Vierte, in Krisenländern wie Griechenland beträgt die Quote fast 60 Prozent. Die Jugendgarantie wird als große soziale Leistung angepriesen und so ließen es sich neben Merkel und Hollande auch Barroso und van Rompuy nicht nehmen, an den letzten Treffen teilzunehmen. Deutschland präsentiert sich dabei mit der niedrigsten Jugenderwerbslosigkeit in der EU als Musterland. Wie wenig es bei den Verhandlungen jedoch um reale soziale Verbesserungen geht, zeigt der Charakter der „Garantie“: Denn wer Job, Ausbildungsplatz oder Praktikum aus welchem Grund auch immer ablehnt, dem werden die Leistungen gekürzt. Die Jugendgarantie führt somit zu nichts anderem als zu einer noch stärkeren Disziplinierung, zu noch mehr Unsicherheit und Bevormundung. Und das, obwohl das Überwachungs- und Sanktionsregime der Arbeitsbehörden gegenüber Jugendlichen ohnehin schon besonderes rigide ist.
Die Erhöhung des Drucks verstärkt die Konkurrenz und führt dazu, dass die Überarbeitung der Einen die Anderen zum Müßiggang zwingt, statt die notwendige Arbeit sinnvoll zu verteilen und die Welt nach den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Menschen einzurichten.
Gegen Prekarisierung, Verarmung und kapitalistischen Arbeitszwang!
Tutti a Torino!