Reihe zum Avantgardefilm in der fruehen Sowjetunion

sowjetfilmDie Sowjetunion lässt reflexartig an Stalin, den Gulag, die Tscheka und Schauprozesse denken. Dies sind zweifellos Phänomene einer Barbarisierung, vor der schon Rosa Luxemburg, Leo Trotzki und sogar, kurz vor seinem Tod, auch Lenin warnten.
Doch der abgründige Exzess war dem revolutionären Projekt nicht von Anbeginn eingeschrieben. Vielmehr wurde es belebt von einem uralten utopischen Traum, der sich von der Bergpredigt bis hin zum kommunistischen Manifest verfolgen lässt: Nachdem die Französische Revolution den alten Feudaladel durch einen neuen Geldadel ersetzt und die radikaldemokratisch-frühsozialistische Opposition zerschlagen hatte, versprach die Oktoberrevolution das erste Mal in der Geschichte die Abschaffung der Herrschaft des Menschen über den Mensch.
In diesem Bewusstsein, eine neue Epoche der Menschheit einzuleiten, in der der Mensch kein „erniedrigtes, geknechtetes, verlassenes, verächtliches Wesen“ (Marx) mehr ist, sondern wahrhaft Mensch wird, vollzog sich mit der Russischen Revolution ein politischer, ökonomischer und ein kultureller Aufbruch: Die utopische Kraft des revolutionären Neuanfangs zeigte sich auch in bahnbrechenden Neuerungen in der Kunst. Die bewusste Veränderung der Welt inspirierte ihre künstlerische Interpretation, die radikal neue Möglichkeiten erprobte und so – in einer kurzen Frühphase des sowjetischen Versuchs – zu einem für die Moderne wegweisenden kulturellen Reichtum fand.
Die Filmreihe startet mit dem Klassiker der avantgardistischen Sowjetkunst, „Panzerkreuzer Potemkin“, einem der wichtigsten Filme überhaupt, vielfach filmisch zitiert und kommentiert. Mit „Tsar To Lenin“ wird eine Dokumentation gezeigt, die sich aus Originalaufnahmen des revolutionären Russlands zusammensetzt. Damit soll versucht werden, eine sachliche Bilderwelt zu erschließen, die als Hintergrund für die kommenden Filme dient: „Oktober“, nach dem Buchklassiker „Ten Days That Shook The World“, „Hlep“, ein Film über die Folgen der Kollektivierung für die Bauernschaft, und schließlich „Die seltsamen Abenteuer des Mr. West im Lande der Bolschewiki“, ein parodistisches Spiel mit den Mitteln des amerikanischen Films.

In der Filmreihe werden gezeigt:

27.6. Panzerkreuzer Potemkin (UdSSR, 1925, Sergei M. Eisenstein) + Einführung zum sowjetischen Avantgardefilm

11.7. From Tsar To Lenin (USA, 1937, Herman Axelbank)

18.7. Oktober (UdSSR, 1928, Sergei M. Eisenstein/Grigori Aleksandrov)

25.7. Hleb (Brot) (UdSSR, 1929, Mykola Shpykovskyi)

1.8. Die seltsamen Abenteuer des Mr. West im Lande der Bolschewiki (UdSSR, 1924, Lew Kuleschow)

Alle Filme werden im Konferenzraum des Studierendenhaus (ehemaliges U-AStA-Gebäude), Belfortstr. 24 gezeigt, Beginn ist 20 Uhr. Zu jedem Film gibt es eine kurze Einleitung und anschließende Möglichkeit der Diskussion.


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