Tagung „Geschlechter-Verhältnisse“ (15. – 17. März) in Freiburg
Ort, Programm, Zeiten & Infos auf der Webseite: geschlechter-verhaeltnisse.jimdofree.com
Wer wir sind und was wir damit wollen
Ende 2017 gründete sich ein Zusammenschluss von Einzelpersonen und Gruppen aus Freiburg i.Br., die sich der antinationalen, feministischen und antikapitalistischen Linken zuordnen. Was uns dazu brachte ist die Unzufriedenheit, wie die kapitalistische Gesellschaft und die damit im Zusammenhang stehenden Anforderungen an die Geschlechter in vielerlei „kritischen“ Bewegungen und Zusammenschlüssen be- und verhandelt werden. Das Fehlen einer Analyse des Geschlechterverhältnis, welche alle Ebenen in den Blick nimmt und Zusammenhänge dieser untersucht, ist dabei die Ausgangslage.
Wir machen drei Ebenen des Geschlechterverhältnis aus: Die strukturelle, die zwischenmenschliche (interaktionale) und die individuelle Ebene. Mit der Tagung wollen wir die Möglichkeit bieten, verschiedene Positionen innerhalb feministischer Theorie in Diskussion zu bringen.
Was uns dazu brachte…
Ausgangslage ist eine Unzufriedenheit, die sich bei uns breit gemacht hat und welcher wir in Form dieser Tagung begegnen wollen. Das soll hier etwas genauer erläutert werden. Eine Seite dieser Unzufriedenheit entspringt dem Umstand, dass es eine an Universitäten gelehrte Theorieschule über systematische Benachteiligung von Menschen in verschiedensten Lebenslagen zwar schafft, Bias [1] und Gaps [2] aufzuzeigen und dabei ein relativ ausdifferenziertes Bild davon zeichnet, wer in welcher Lebenslage unter Zuschreibungen wie Sexismus, Rassismus oder Homophobie leidet. Dabei bleibt eine Zurückführung auf den Ursprung dieser Zustände jedoch weitgehend aus. Es wird vielmehr innerhalb der bestehenden Gesellschaft eine gleichberechtigte Teilhabe und Anerkennung aller eingefordert und nicht die Sachzwänge der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft werden als Schaden am Individuum verursachend ausgemacht. Abgewinnen können wir dem Ganzen, dass es wissenschaftliche Nachweise gibt, wen diese Gesellschaft in welchem Umfang ausschließt und in geschlechtliche Normen sortiert.
Eine Verbesserung der Bedingungen innerhalb des Systems halten wir ebenfalls für erstrebenswert. Beispiele dafür wären die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen oder die Finanzierung von autonomen Frauenhäusern. Gleichzeitig denken wir, dass man dabei nicht stehen bleiben, sondern einer theoretischen Erklärung bedarf, warum diese Gesellschaft permanent Leute ausschließt, benachteiligt und eine Sortierung in zwei Geschlechter vornimmt. Innerhalb einer „Theorie“-Linken, die mit der Analyse dieser Gesellschaft und ihrer Sachzwänge beschäftigt ist, bleibt die Beschäftigung mit gesellschaftlicher Arbeitsteilung meist bei dem Umstand stehen, dass es eine Aufteilung nach Produktion und Reproduktion gibt, welche den Geschlechtern einiges zumutet. Das Geschlechterverhältnis wird also ausschließlich auf struktureller Ebene betrachtet.
Der damit zusammenhängende Sexismus und die Cis- und Heteronormativität [3], welche sich im alltäglichen Leben sowohl auf zwischenmenschlicher als auch auf individueller Ebene auswirken, werden dabei nicht zum Gegenstand der Analyse gemacht.
Andere Theorien schaffen es, die Analyse der kapitalistischen Arbeitsteilung mit der Analyse von Sexismus zu vereinen und gute Schlüsse zu ziehen, doch daraus resultiert allzu oft ein unkritischer Umgang mit staatlich durchgesetzten Gleichstellungsmechanismen.
Diese ermöglichen Individuen als Frauen [4] und Männer das freie und gleiche Konkurrieren um Jobs und Geld.
An der Grundlage der gesellschaftlichen Versorgung, der Wirtschaftsweise, wird damit aber keinerlei Änderung vorgenommen. Es wird lediglich allen die gleiche Chance eingeräumt, im gewollten Hauen- und Stechen mit-konkurrieren zu können.
Geschlechterverhältnis und die Linke
Obwohl eine antisexistische Positionierung inzwischen zum Grundinventar jedes linken Selbstverständnisses gehört, sind linke Zusammenhänge keineswegs frei von Sexismus, Cis- und Heteronormativität. Von stereotypischer Arbeitsaufteilung in Politgruppen, auf Veranstaltungen, in WGs und (Hetero-)Beziehungen, über männliche Dominanz/Mackertum bis zu sexualisierter Gewalt ist das ganze Spektrum alltagssexistischer Zumutungen vertreten. Nicht selten sind Frauen* die, die anstoßen müssen, dass das Geschlechterverhältnis thematisiert wird,
Missstände auf die Tagesordnung geholt, oder dass Übergriffe aufgearbeitet und Konsequenzen daraus gezogen werden. Oftmals wird diesen Thematisierungen mit Trägheit entgegengetreten und in vielen Fällen auch mit Abwehr begegnet. Auch die Ablehnung von Trans- und Homophobie gehören zu einem linken Selbstverständnis, aber auch hierbei wird sich selten ausführlich damit auseinandergesetzt.
Praktische Lösungsansätze – wenn es sich nicht um einfach durchführbare Maßnahmen wie etwa die quotierte Redeliste handelt – verlaufen oft im Sande oder werden nach kurzer Zeit als nicht praktikabel verworfen. Auch dort wo sexistische Missstände, und die Notwendigkeit sie zu bekämpfen, erkannt werden, herrscht häufig eine große Hilflosigkeit. Auf Grundlage einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Geschlechterverhältnis wollen wir uns auch der Frage nach praktischen Lösungsansätzen gegen diese Missstände nähern.
Geschlecht. Was wir darunter verstehen
Zunächst: Menschen wird nach ihrer Geburt an Hand von bestimmten körperlichen Merkmalen ein Geschlecht zugeordnet. Die Zuordnung funktioniert nach der Norm: Penis=Junge, Vulva=Mädchen. Körper sind sehr unterschiedlich und auch die Geschlechtsorgane machen sich ziemlich wenig aus dieser Norm, biologische Geschlechtlichkeit könnte dementsprechend auch auf einer Skala dargestellt werden. Dementsprechend kommen real verschiedene Formen von Intergeschlechtlichkeit vor. Da dies als „Abweichung“ und damit als „behandlungsdürftig“ betrachtet wird, werden nach wie vor viele intergeschlechtliche Kinder bereits früh einer Operation unterzogen, um den Körper der Norm anzugleichen. Zu dieser Sortierung in zwei Geschlechter gehört die Herausbildung eines sozialen Geschlechtscharakters mit Attributen, Stereotypen, Rollenzuschreibungen und Zwängen. Damit im Zusammenhang steht die Arbeitsteilung in Produktions- und Reproduktionssphäre, wobei Männer primär der Produktionsphäre und Frauen primär der Reproduktionsphäre zugeordnet werden.
Diese Aufzählung soll einen groben Rahmen stecken und eine Einordnung unserer Überlegungen darstellen. Das wir dabei nur oberflächlich benennen und nicht weiter analysieren können, ist der Kürze des Textes geschuldet.
[1] Bias kann übersetzt werden als Ausrichtung, Voreingenommenheit, Tendenz, Vorurteil oder es wird in der Forschung von eine Verzerrung der Wirklichkeit durch Formulierungen, gedankliche Annahmen oder statistische Fehler, die zu falschen Darstellungen der tatsächlichen Verhältnisse führen gesprochen (vgl. Wikipedia zu „Gender Bias“)
[2] Als Gaps werden durch Machtverhältnisse bedingte Differenzen zwischen verschiedenen Personengruppen bezeichnet. Das bekannteste Beispiel ist wohl der Gender pay gap, also der geschlechtsspezifische Lohnunterschied.
[3] Cisnormativität meint die Annahme, dass alle Menschen sich dem Geschlecht zugehörig fühlen das ihnen bei ihrer Geburt zugewiesen wurde. Heteronormativität steht für die Annahme, dass es naturgegeben zwei Geschlechter, Männer und Frauen, gibt und diese sich begehren. Dem nicht entsprechende Sexualität wird als Abweichung von der Norm markiert oder sogar pathologisiert.
[4] Entsprechend unseres Verständnis von Geschlecht (siehe weiter unten) schreiben wir Frau* und Mann* mit dem Gender-Stern. An manchen Stellen halten wir das jedoch nicht für passend. Hier zum Beispiel geht es um staatliche Gleichstellungsmechanismen welche von einem biologistischen, binären Geschlechtermodell ausgehen, dementsprechend wäre eine Schreibweise mit Sternchen an dieser Stelle widersprüchlich.