Redebeitrag: Die autoritäre Formierung durchbrechen!

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

wie sieht es gerade aus? Schauen wir uns um, in ganz Europa sind autoritäre Bewegungen auf dem Vormarsch. Die deutschnationale AfD zieht mit rund 13 Prozent der Wählerstimmen in den Bundestag ein, in Frankreich konnte gerade noch der Sieg der Präsidentschaftskandidatin des extrem rechten Front National abgewehrt werden, in Österreich und der Schweiz feiern die Rechten einen Wahlerfolg nach dem anderen. In Ungarn und Polen ist ein offener Umbau hin zum autoritären Staat schon voll im Gange.

Auch außerhalb Europas sieht es nicht viel besser aus: Ein Rechtspopulist ist Präsident der USA und die beiden anderen Supermächte Russland und China sind bereits autoritäre Staaten.

Was steht hinter diesen Entwicklungen? Das Fundament vieler dieser Bewegungen sind neurechte Ideologien. Also die Agitation gegen ein vermeintlich linksliberales & kosmopolitisches Establishment, dazu offene Hetze gegen Flüchtlinge, Roma, emanzipierte Frauen und Homosexuelle. Die neuen Völkischen beschwören eine europäisch-abendländische Identität in Abgrenzung zum Islam und zum Liberalismus. Ihr Ziel ist es die Errungenschaften fortschrittlicher Bewegungen der vergangenen Jahrzehnte einzukassieren.

Wie sieht es anderswo aus? Der feindliche Bruder von diesem neurechten Autoritarismus ist der politische Islam. Ob nun in bandenmäßiger Form wie beim Islamischen Staat oder klassisch nationalstaatlich wie in Saudi Arabien, dem Iran oder in der Türkei: Auch der Islamismus strebt den autoritären Staat an. Angetrieben wird auch er durch den Hass auf Liberalismus, Homosexuelle, emanzipierte Frauen und schlussendlich auf die Juden und ihren Staat.

Und beide Bewegungen produzieren potentiell tödlichen Terror gegen die als von ihnen als jeweils „Andere“ markierte. Seien es die ungezählten Angriffe mit Brandsätzen, Steinen, Messern, Schusswaffen oder blanken Fäusten gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte oder seien es die islamistischen Selbstmordmordkommandos mit Sprengstoff, Fahrzeugen, Kalaschnikows, Messern und Äxten. Beide kennen keine Grenze in ihrer Gewalt, beide zielen auf Ausgrenzung und Ermordung ihrer jeweiligen Gegner.

Und sosehr sich die Anhänger dieser beiden autoritären Formierungen auch bekämpfen mögen, sosehr sind sie doch auch aufeinander verwiesen: Die Islamisten wollen durch Anschläge auf Unschuldige den antimuslimischen Rassismus anstacheln und eine möglichst harte staatliche Antwort provozieren – das schreibt der IS sogar ganz offen in seinen Propagandablättern. Und damit wollen sie sich den Muslim*innen weltweit als Schutzmacht gegenüber dem vorgeblich durchgängig islamfeindlichen Westen präsentieren.

Die Völkischen auf der anderen Seite nehmen die islamistischen Anschläge als Anlass um sich ihrerseits den „weißen“ Europäer*innen als Schutzmacht gegen die Bedrohung und als vermeintliche Alternative zu den “verweichlichten” Liberalen anzubieten.

Und schließlich beeilen sich die Parteien der „Mitte“ nicht den Anschluss an diese Dynamik zu verlieren und treiben ihrerseits die Formierung des autoritären Staates voran: Sicherheitsgesetze werden verschärft, die Repression nimmt zu. Der Ausnahmezustand soll normalisiert werden – das heißt: Bürgerliche Freiheitsrechte werden suspendiert, vorgeblich um ebendiese Freiheiten gegen die Bedrohung durch den inneren und äußeren Feind zu verteidigen.

Wir wollen zum ganz konkreten Anlass dieser Demonstration kommen. Wir denken: Die Repression gegen die radikale Linke muss in ebendiesem Zusammenhang betrachtet werden. Wir werden nicht in erster Linie angegriffen, weil wir im Moment besonders stark oder gefährlich für diesen Staat wären. Wir werden angegriffen, weil der autoritäre Staatsumbau ein linkes Gespenst braucht, gegen das er vorgehen kann. Die ganze Strategie rund um den G20 passt dazu: Erst wird eine riesige Bedrohung herbeigeschrien, eine Gefahr beschworen, die Linken als Feinde des gemeinen Bürgers markiert – um damit dann aufgeblähte Polizeisätze, knochenharte Repression auf Demos und bundesweite Razzien zu legitimieren. Das alles dient der staatlichen Machtdemonstration und soll den weiteren Ausbau des Sicherheitsapparates vorantreiben. Selbsterfüllende Prophezeiungen: Man schafft sich Situationen, in denen die Polizei unterfordert wirkt, ohne es wirklich zu sein – um dann noch mehr Polizei fordern zu können.

Dazu kommt: Seit nunmehr 10 Jahren ist der Kapitalismus in der Krise, an immer mehr Orten wird die Desintegration spürbar. Der Staat will sich wappnen, soziale Bewegungen frühzeitig bekämpfen, seine Organe in Stellung bringen.

Und die Repression ist ja auch daher für diesen Staat so einfach möglich, weil der Rückhalt für linksradikalen Aktivismus abseits unserer Szenen nicht gerade groß ist. Um dem autoritären Staatsumbau mittelfristig was entgegensetzen zu können müssen wir das ändern, wir müssen von der Szene zur Bewegung werden, aus unseren Spelunken und Ecken herauskommen, in soziale Konflikte eingreifen und nicht mehr so viel bloße Szenepolitik machen. Das heißt sicher, manchmal Kompromisse zu machen, vielleicht andere Organisationsformen finden als lose Kleingrüppchen, sich sozialen Themen zuwenden – vieles, über das wir reden sollten wenn wir wollen dass es nicht bleibt wie es ist.

Ein letztes noch. Nicht vergessen sollten wir bei alledem, dass die erstarkende Repression uns deutsche radikale Linke erst als Zweites getroffen hat. Unsere türkischen und besonders unsere kurdischen Genoss*innen wurden und werden viel härter angegangen als wir. Die freundlichen, allen voran wirtschaftlichen, Beziehungen Deutschlands zu den autoritären Regimes des Irans und der Türkei dürften hinlänglich bekannt sein. In beiden Ländern wird die Opposition aufs Schärfste unterdrückt und diese Verfolgung geht auch in Deutschland weiter.

So haben wir die Situation, dass die Symbole der Frauenorganisation, deren Kommandantin die Befreiung Raqqas von den islamistischen Schlächtern anführte, in Deutschland verboten sind, während die Unterdrücker*innen eben dieser iranisch-kurdischen Frauen von hochrangigen deutschen Politiker*innen hofiert werden.

Wenn wir also heute „gegen autoritäre Politik & für eine solidarische Zukunft in Freiheit“ auf der Straße sind, dann muss es uns auch darum gehen, ein Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen, den Betroffenen sowohl der völkischen, wie auch der islamistischen Barbarei.

Solidarität mit all den Menschen, die von den Autoritären als Kurde, Jude, Jeside, Homosexueller, Armenier, Roma, Apostat, Flüchtling oder emanzipierte Frau identifiziert und verfolgt werden. Lassen wir sie nicht allein!

Für den Aufbau einer solidarischen Bewegung – für die soziale Revolution!